In München gehen nicht nur die Uhren etwas anders als anderswo, dort fährt auch die Straßenbahn rückwärts:
Warum genau fühlt sich das komisch an?
Nun, während sich die Straßenbahn vorwärts bewegt, fährt die virtuelle Bahn auf dem Monitor die nächste Haltestelle in entgegengesetzter Richtung an. Der nach unten weisende Pfeil soll auf das verweisen, was VOR den Passagieren liegt. Nur leider wird Das-vor-uns-Liegende in der Regel durch Pfeile nach oben dargestellt:
Wie kommt sowas zustande?
Ich kann nur spekulieren, aber im Falle der Münchner Straßenbahn sieht es so aus, als hätte der Designer dieses Systems ein anderes mentales Modell im Kopf gehabt als die Passagiere.
Ein kleiner Ausflug in die Psychologie: Nutzer denken nicht in Datenbankabfragen und Grafikprozessoren, die Lichtpunkte auf einem Display ansteuern – alles viel zu kompliziert bzw. den meisten auch total unbekannt. Wenn wir ein technisches System benutzen, dann reimen wir uns zusammen, wie es in etwa funktioniert. Dabei greifen wir auf Erfahrungen zurück und interpretieren, um es einfacher zu verstehen.
Ein Beispiel für ein gutes mentales Modell ist der Warenkorb auf Shoppingseiten: Nutzer können so einfach nachvollziehen, wie der Einkaufsprozess abläuft. Amazon hat das Prinzip großgemacht, weil sie sich an einen Vorgang gehalten haben, der den Menschen vertraut ist: Vor dem Bezahlen legt man die Ware in einen Korb und geht dann zur Kasse.
Wenn der Entwickler des Produkts eine Idee davon hat, welches mentale Modell der Nutzer voraussichtlich haben wird oder welches er am leichtesten verstehen kann, dann wird er das Produkt so bauen, wie es auch die Nutzer verstehen werden.
Was aber passiert, wenn der Designer ein anderes mentales Modell im Kopf hat als der Nutzer?
Im Fall der Straßenbahn hatten die Entwickler vielleicht das Listenformat der Fahrpläne im Kopf: Die nächste Haltestelle steht immer unter der aktuellen und darunter dann wieder die übernächste. Listen werden von oben nach unten abgearbeitet – alles vermeintlich klar.
Leider baut die Animation auf der Anzeigetafel ein ganz anderes mentales Modell beim Betrachter auf: Da ist eine Bahn aus der Vogelperspektive zu sehen, die sich von oben nach unten bewegt. Und die fährt nun gefühlt in die andere Richtung als die echte Bahn.
Hinzu kommt noch, dass der Pfeil recht unscheinbar ist. Wer den übersieht, der kann die angezeigte Endhaltestelle (im Beispiel oben die Amalienburgstraße) schon mal für den nächsten Stopp halten. Denn in unserer Vorstellung vom Reisen kommt zuerst, was ganz unten steht:
Das Gute ist – dieser Fehler in der Straßenbahnanzeige ist ganz einfach zu fixen, in dem man alles umdreht:
Bonustipp: Wenn es keine Umsteigemöglichkeit gibt (Beispiel Hopfenstraße), kann man am entsprechenden Haltestelleneintrag auf das Tram-Symbol verzichten. Dass da die Tram hält, dürften die Passagiere wissen.