Ein bisschen zuviel Rot

twitter-redTwitter bietet ein schönes Beispiel für überkonstruierte Usability: Wenn man einen Tweet schreibt, dann zeigt ein Zähler an, wie viele Zeichen man noch übrig hat für seine Nachricht. Sind nur noch 10 Zeichen übrig, wird der Zähler rot. Klingt auf den ersten Blick vernünftig, ist aber schlechte Usability. Warum, erkläre ich hier.

Schaut Euch den Zähler zunächst mal in Aktion an:

Die wenigsten Schreiber dürften exakt den Zeitpunkt mitbekommen, wenn die Zahl von Schwarz auf Rot umspringt, da sie sich ja auf den Text konzentrieren und so empfänglich für Change Blindness sind.

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Will heißen, irgendwann sieht man, dass die Zahl rot ist und hat nun keine Ahnung, ob noch so viele Zeichen in den Tweet passen würden oder die Nachricht schon um die entsprechenden Zeichen zu lang ist.

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Da die Farbe Rot in der Regel für eine Warnung oder eine Fehlermeldung verwendet wird, dürften nicht wenige Nutzer dazu tendieren, ihre Nachricht einzukürzen – die Bedeutung „Handlungsbedarf“ ist schließlich gelernt.

Behalten sie beim Kürzen den Zähler im Auge, merken sie vielleicht, dass er bei „11“ wieder schwarz wird und reimen sich zusammen, dass sie ja doch nicht unbedingt hätten kürzen müssen – und ärgern sich.

Experimentierfreudige schreiben vielleicht einfach weiter und merken dann, dass Twitter ab einer gewissen Zeichenzahl den Text selbst einfärbt, um die überschüssigen Zeichen zu markieren. Das ist aber keine gute Usability, wenn man den Status eines Systems erst durch Ausprobieren herauskriegen muss.

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Twitter fährt hier zweigleisig: Neben der Einfärbung des überschüssigen Textes  soll der farbige Counter den User offenbar darauf hinweisen, dass es jetzt langsam eng wird und er seinen Tweet im Kopf vielleicht schon mal umformulieren sollte, falls er jetzt nicht gleich zum Ende kommt. Das Problem ist nur, dass da die wenigsten während des Schreibens hinschauen. Der Fokus liegt im Textfeld. Einen Tweet schreiben und mit einem Auge auf den Counter zu schielen ist anstrengend.

Die gut gemeinten roten Zahlen schaffen nur Probleme: Der User, der es zufällig bemerkt, wird vorzeitig aus dem Schreibmodus gerissen, muss dann herausfinden, was der plötzlich rote Counter bedeutet und dann eventuell seinen Tweet umformulieren.

Benutzerfreundlicher wäre es gewesen, sich nur für das Markieren der überzähligen Zeichen direkt im Text zu entscheiden. Hier liegt der Fokus des Users und er bekommt sofort mit, was nicht stimmt – und kann seinen Tweet einkürzen. Der Counter sollte nur dann rot sein, wenn er ins Negative rutscht und tatsächlich Handlungsbedarf besteht:

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